Mein Chef hat heute eine Werbefirma („Agentur für neue Medien, Informationstechnologie und Werbung“) zu einem Gespräch über bessere Suchmaschinenplatzierung für die Firmen-Website eingeladen. Der Chef war zwar nicht anwesend, dafür 2 Kollegen (Verkäufer) und meinereiner.
Vorstellig geworden ist der junge „geschäftsführende Gesellschafter“ dieser Werbefirma und hat lang und breit über Methoden für eine bessere Platzierung in Google (wohlgemerkt nur darin) berichtet. Da war schwammig von der Verbesserung einzelner Webseiten die Rede („Überschriften in HTML sind wichtig“, siehe Code-Beispiel weiter unten), vom Einfügen wichtiger Suchbegriff in eine Seite sowie von seltsamen Extraseiten(?!) für Suchmaschinen. Und Google Adwords wurde empfohlen und preislich mitveranschlagt.
Für Leute ohne webtechnisches Hintergrundwissen war der Vortrag sicher überzeugend. Auch preislich. Aber wenn man sich mit der Materie auskennt, wird man damit nicht glücklich. Ich habe mir danach erlaubt, die Website dieser Werbefirma anzusehen und ein paar Kundenauftritte – und meine schlimmsten Befürchtungen von vor dem Gespräch wurden von der beinharten Realität eingeholt und überholt.
Die Werbefirma missachtet jede Konvention guten Webdesigns, von Barrierearmut und Zugänglichkeit: 95% Flash-Seite, ohne JavaScript kann man das Flash gar nicht starten, die Startseite (die einzige HTML-Seite) ist mit Frames (samt inhaltslosen „blank“-Frames) vollgepflastert und ohne CSS gar nicht bedienbar, zudem springt die Flashseite als Popup auf. Ich konnte nur noch lachen vor Trauer.
Beispiel, wie Seitenteile von ominösen Werbefirmen aussehen können, die nachweislich begriffen haben, wie das Web und Suchmaschinen funktionieren:
<noframes> <body> <h1>XXXX - Agentur für neue Medien, Informationstechnologie und Werbung </h1> <h1>Mail-Marketing </h1> <h1>Webhosting Webdesign Content Management </h1> <h1>E-Business </h1> <h1>email-Marketing </h1> </body>
Die Kundenauftritte sind angeblich mit einem CMS gemacht mit Namen metaXchange. So scheußlich wie der Quälcode dieses CMS ist auch das Aussehen: eingeengt in kleinen Rahmen (somit bekommt man hübsche zusätzliche Laufleisten im Inhaltsbereich), Frames lassen die URI nicht erkennen und Popups sind sowieso sehr beliebt, zum Beispiel bei Anfahrtsplänen. Sogar PHP-Fehlermeldungen erscheinen mal im Quelltext. Sehr hübsch anzusehen.
Nun gut.
Erstes Fazit (Nicht, dass ich es vorher nicht schon gewuss hätte, aber man braucht immer wieder eine Bestätigung.): Werbefirmen können per se kein HTML und CSS, verstehen nichts vom Wesen des Webs, von Barrierearmut und Zugänglichkeit und nichts von vernünftigem Einsatz moderner Technologien. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber in Oberösterreich gibt es solche Firmen meines Wissens nicht. Woodshed lässt grüßen.
Zweites Fazit: Dem Chef ausreden, dass es Suchmaschinenoptimierung gibt, ohne dass die Website an sich geändert (sprich: verbessert) wird. Leider gibt es derzeit Mangel im Geldbeutel für solche Ausgaben und Cheffe will schnelle Resultate (zumindest schneller und billiger, als ein Redesign samt neuem CMS möglich wäre). Meinen zwei Verkaufskollegen habe ich dies wenigstens schon vermitteln können.
Da lobe ich doch meine saubere Arbeitsweise, die handfeste Ergebnisse liefert, ohne auf Tricks oder mühsame Nachbearbeitung angewiesen ist: Semantik, Validität, gute und aussagekräftige Inhalte. Aber ich bin auch kein Werbefachmann.
2 Kommentare
1. Wolfram schrieb am 8th Juli 2007 um 14:22 :
In Österreich kann jeder abgehalfterte PC Schrauber eine Web und Werbeagentur gründen. Hatte auch mit dem Scharnsteiner schon das zweifelhafte Vergnügen. Damals fand ich ihn nicht einmal im Firmenbuch. Sein Hirngespinst von Firma bestand aus mickriger Website + Handynummer
Am Telefon mimte er den großen Chef, schwafelte herum
und wollte mir nicht sagen, ob seine Freelancer nach HTML Seiten oder Zeitaufwand bezahlt würden. Also musste er sich einen anderen (dümmeren) Webdesigner suchen.
2. Dan schrieb am 30th Januar 2009 um 01:41 :
Anfangs dachte ich, ich muss mich von diesem Beitrag angesprochen fühlen, da ich selbst mich selbstständig gemacht habe und Webseiten programmiere. Die ersten beiden absätze klingen ja an sich auch verständlich, da Adwords genauso wie die sinnvolle verwendung von Überschrfiten nunmal zum SEO gehört. Allerdings gehört auch viel mehr dazu und dabei verbessert sich nicht nur das Google Ranking.
Allerdings legen wir (mein Mitgesellschafter und ich) sehr großen Wert auf validen Quelltext(sowohl (x)HTML als auch CSS) der Browserübergreifend funktionsfähig ist und auch behinderten Surfern das leben leichter macht. Es gibt also auch Leute(wenn auch nur wenige) die wissen wovon sie reden, obwohl sie es sich alles selbst angeeignet haben(womit ich mich nicht rühmen möchte eine Ausbildung/Studium wäre mir lieber gewesen bzw. kommt noch).
Ich persönlich stimme Ihnen voll und ganz zu, dass viel zu viele unfähige Agenturen mit unseriösen bzw. unbrauchbaren Erzeugnissen das Web verunstalten. Tabellenlayouts sind out, semantischer-aufgeräumter Code ein Muss und die Seite W3C.org sollte der erste Link in der Favoritenliste von Webdesigner sein!
Schade, dass es nur weniger Mitarbeiter wie Sie gibt, die recherchieren und ihren Chef somit vor vergeudeten Investitionen schützen. Ein toller Beitrag!
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