In immer mehr Supermärkten und anderen Geschäften findet man Produkte für Vegetarier (oder sogar Veganer). Bio-Läden und ähnliches boomen sowieso seit Jahren. Aber spätestens seit einem Besuch beim kleinen Imbissstand am Bahnhof um die Ecke, wo auch vegetarische Burger verschiedenster Art mit Tofu statt mit Rindfleisch angeboten werden, denke ich mir: Vegetarische Produkte werden massenmarkttauglich. Das finde ich keine schlechte Entwicklung in Zeiten der Massentierhaltung.

Nachdem das Vertrauen in die Unabhängigkeit, den technischen Verstand und die Integrität der ISO und der nationalen Normungsorganisationen bei vielen gesunken oder geschwunden ist durch die Ungereimtheiten bei der Normung von Microsofts OOXML und der kurzfristigen Einflussnahme vieler Firmen (für beide Seiten) und vor allem Microsoft „Gold Partner“ (für OOXML) in den Normierungsprozess, klingt die Ankündigung der ISO wie ein Spott auf die letzten 16 Monate. Noch dazu klingt es reichlich hochgegriffen, wo die ISO es nicht mal geschafft hat, alle Kommentare zu OOXML einzeln zu bearbeiten und in die Norm einfließen zu lassen („Das wird zu einem späteren Zeitpunkt geschehen …“).

Ich werde keine Vermutungen anstellen, was bei dem Versuch der ISO, ODF und OOXML zusammen zu legen/zu harmonisieren herauskommen wird. Die Einflussnahme von Privatfirmen aus reinem Eigeninteresse in den Normierungsprozess hat es die letzten Monate zur Genüge gezeigt.

Mehr Vertrauen in das technische Können der Beteiligten, die Gleichberechtigung aller Parteien, der Offenheit des Prozesses und der Unabhängigkeit der Organisation bringe ich persönlich dem W3C oder der OASIS entgegen. Die verbringen ihre Tage nicht hinter verschlossenen Türen, sondern tüfteln öffentlich oder zumindest transparenter als ÖN, DIN und ISO.

Man muss einsehen, dass die Erarbeitung neuer Standards, besonders im IT-Sektor, etwas ganz anderes ist als die Harmonisierung von Gewinden oder die Sicherung von Feuerzeugen. Sowas können die Normungsorganisationen. Der IT-Sektor verlangt durch seine ungeheure Dynamik und den vielfältigen Wettbewerb nach raschen, offenen Prozessen, die zu offenen Protokollen und Formaten führen, die Weltweit von jeder Firma rasch umgesetzt werden können.

Andere haben es schon überall im Web verkündet (z.B. Heise.de, ubuntuusers.de). Was soll man noch dazu sagen. Ich war immer ein Freund von internationalen Normen, habe auch in der Arbeit viel mit Normen zu tun. Was aber die letzten 15 Monate bei der ISO, beim DIN und beim ÖN vor sich ging, hat meine positive Meinung zu diesen sonst so unparteiischen und objektiven Organisationen zerstört. Als OpenSource-/ OpenAccess-/ Webstandards-/ OpenDocument-Befürworter mag ich befangen sein, aber erklärt mir mal einer diese ganzen Ungereimtheiten überall auf der Welt, die durch die (kurzfristige) Einmischung Microsofts und seiner Gold-Partner in den Normierungsgremien geschahen. Die ISO hat ihre Reputation verloren.

ÖN

Allein die Arbeit des ÖN erscheint mir suspekt. Meine Frage zur Entscheidungsfindung und zu öffentlich zugänglichen Informationen beim ÖN wurde im September 2007 gar nicht beantwortet, nur mit der allgemeinen Aussage, dass Ecma 376 im Februar 2008 nochmal zur Abstimmung steht und dass ich eingeladen bin mitzuarbeiten, wenn ich denn ein Experte sei. Nichts über die Mitglieder, die zu OOXML abgestimmt haben, nichts über Abstimmungsverhalten, Diskussionsinhalte oder sonstiges. Alles fand hinter verschlossenen Türen statt, ein Kampf zwischen Microsoft-Partnerfirmen auf der einen und jenen von IBM, Sun und der OpenSource-Welt auf der anderen Seite. Man kann sich ausrechnen, welche Seite mehr Firmen, Geld und Lobbyisten hinter sich scharen konnte. Microsoft hatte viel zu viel zu verlieren, um bei der ISO abgewiesen zu werden.

Zukunft

Nun gut, andere sehen die Zukunft für OpenDocument und OpenSource mit dieser ISO-Entscheidung rosiger als ich, zum Beispiel Andy Updegrove mit The Future of ODF and OOXML (englisch).

Aber man wird sehen, wie weit die Kommentare bei der ISO noch abgearbeitet und in die Norm zu OOXML eingearbeitet werden (oder ob sie nun mangels Interesse versanden?).

Man wird sehen, ob Microsoft dieses neue OOXML am Ende in sein Office-Paket übernehmen wird (wenn überhaupt, dann wahrscheinlich erst mit der nächsten MS Office-Version; Besitzer von MS Office 2007 werden mit dem veralteten, falschen OOXML weiterarbeiten müssen und unzählige ungenormte, nicht zukunftsfähige und nicht interoperable Dokumente erstellen).

Man wird sehen, wie weit Microsoft das ISO-OOXML in seine Produkte integrieren wird. Wird es so enden wie jedes andere Mal in der Vergangenheit, wie zum Beispiel bei POSIX in den 90ern, dass Microsoft das Minimum an geforderten Kriterien umsetzen und den Rest unter den Tisch fallen lassen wird? Nicht-Microsoft-Produkte werden dann mangels Kompatibilität wie bisher bei .doc/.xls/.pps von den Kunden und Behörden nicht verwendet werden (können). Für Behörden wird das Argument reichen, dass „OOXML ja genormt ist“, um weiterhin teure MS Office-Versionen mit Steuergeldern anzuschaffen. Für andere Produkte und Betriebssysteme wird es hingegen schwer werden.

Schöne neue standardisierte Microsoft-Welt.

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