Am Abend und in der Nacht vom 29. zum 30. Juni war es wieder soweit. Alle Jahre wieder: Der Vorabend der Veröffentlichung einer neuen Hauptversion von Firefox. Im Jahr 2009 ist es Firefox 3.5, das ich gern als das „wahre Firefox 3“ bezeichne, da es viele Verbesserungen enthält, die aus Zeitmangel 2008 in Firefox 3.0 nicht Einzug finden konnten.

Was hat es nun mit dem Vorabend der Veröffentlichung auf sich?

Das ist der Abend, an dem – man kann es fast schon so nennen – traditionell die Übersetzung der neuen Mozilla-Webseiten für Firefox gemacht wird. Das ist eine Herkulesaufgabe innerhalb kürzester Zeit. Die meisten Übersetzer anderer Sprachen haben bereits am Wochenende daran gearbeitet, die deutschsprachigen Übersetzer haben sich das meiste bis zu 12 Stunden vor der Veröffentlichung von Firefox 3.5 aufgespart. ;-)

Die deutschsprachige Version der umfangreichen Funktionsübersichtsseite war vor den Briten die vorletzte Übersetzung, die fertig geworden ist. Das hört sich knapp an? Ist es auch. Andererseits war es kein Ding der Unmöglichkeit. Michael „Coce“ und ich, die Verantwortlichen für die Website-Übersetzungen, haben fleißig übersetzt, gegengelesen und die Dateien auf die Mozilla-Server hochgeladen. Und ich muss sagen, trotz der späten bzw. frühen Stunde, zu der die letzte Übersetzung (nämlich die Funktionsübersicht) fertig wurde, lagen wir im Zeitrahmen, den ich mir selbst gesetzt hatte. Michael hatte am Wochenende außerdem schon etwas vorgearbeitet.

Pascal, der „Wächter“ über alle Übersetzungen der Mozilla-Website, sah das sicher nicht so cool wie ich. Schließlich ist Deutsch die am zweithäufigsten aufgerufene Sprache nach dem Englischen für die Website und die Mozilla-Produkte. Gäbe es Verzögerungen, wäre das ein Marketing-Desaster. Aber Michael und ich sind ein eingespieltes Team und ich hatte bereits letztes Jahr der Vergnügen, Henrik bei der Übersetzung der selben Seiten zu helfen – damals für Firefox 3.0. Ich wusste also um den Arbeitsaufwand.

Warum ich das alles schreibe?

Weil Firefox freie, quelloffene Software ist und ich denke, dass die Arbeit(sweise) der Freiwilligen bei Mozilla durchaus auch offen gelegt werden kann. Firefox und alles, das zum Mozilla-Universum gehört, wird hauptsächlich (was die absolute Zahl der Mitarbeitenden betrifft) von Freiwilligen unterstütz und geleistet. Ohne diese ehrenamtlichen Mitarbeiter gäbe es keine Übersetzungen, keine Hilfe in Webforen, keine Mund-zu-Mund-Propaganda, weniger Funktionen in Firefox und als Konsequenz aus all dem ein weniger freies, offenes World Wide Web für alle.

Die Website wird ebenso von Freiwilligen übersetzt und nicht von einem teuren Übersetzungsbüro. Dahinter stehen also auch nur Menschen und Firefox-Anwender, wie vielleicht auch Du einer bist. Und entgegen dem gängigen Klischee sind die Mozilla-Mitarbeiter keine Computer-Freaks, die kein Privatleben hätten. Ganz im Gegenteil. Ich weiß das, denn ich habe schon viele von Angesicht zu Angesicht kennengelernt und habe mit ihnen ein Bierchen getrunken. :-)

Der Titel „In letzter Sekunde“ ist natürlich reißerisch und stimmt nicht ganz. Aber vieles im Open-Source-Bereich wird spontan und kurzfristig gemacht, was das Endergebnis um so besser macht. Es gibt also viele Aufgaben, die man kurzfristig und bloss für kurze Zeit für Mozilla (oder ein anderes Open-Source-Projekt) erledigen kann.

Kleine Schritte für neue Mitarbeit

Wer also einen kleinen Schritt hin zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit tun will, ist herzlich dazu eingeladen. Im deutschsprachigen Forum und Chat gibt es genug Ansprechpartner, die einem beispielsweise beim Erstellen einer Firefox-Erweiterung oder beim Übersetzen eines SUMO-Artikels oder der einer Mozilla-Kampagne (1,2) behilflich sein können. Das impliziert keine Verpflichtung für die Zukunft. Und wer tiefer in das Mozilla-Universum eintauchen will so wie Michael und ich, kann das später immer noch tun.

Es gibt viele spezifische Aufgaben, die noch nicht „besetzt sind“, auf die man sich stürzen kann, um einen ersten Einblick zu gewinnen.

Firefox 3.5 ist da!

Und diesmal fühlt es sich wieder gut an! Nicht so wie die Veröffentlichung von 3.0, für die ich mich emotional nicht erwärmen konnte (technisch und praktisch gesehen natürlich schon).

Denn diesmal gibt es wieder haufenweise neue WebstandardsVerbesserungen – allen voran die native Abspielfähigkeit für Musik und Videos im Format Ogg Theora und Vorbis. Im Artikel Webstandards und Firefox habe ich mich mit Firefox 3.5 und seine Beziehung zu Webstandards näher beschäftigt.

Da ich aber nicht die unzähligen Webseiten nachahmen will, die die neuen Funktionen von Firefox 3.5 verkünden, beschränke ich mich (wieder) auf eine Link-Sammlung:

Firefox 3.5 ist da!

Firefox 3.5 bekommt einen Privaten Modus, bei dem keine Surf-Daten gespeichert werden. Deshalb wird er landläufig auch als „Porno-Modus“ bezeichnet. Nun hat im entsprechenden Bugzilla-Eintrag dazu jemand einen Kommentar geschrieben:

I’ve found a new bug. When I want to turn on Private/Porno Mode I have to use
two hands (crtl+shift+p). Sometimes this is impossible, you know…Quelle

Nebenbei: Darauf, dass er Strg und die Umschalttaste auch auf der rechten Seite der Tastatur benutzen kann, ist er nicht gekommen. ;-)

Ich find’s witzig, you know…?

Die Fertigstellung von Thunderbird 3 schreitet voran. Die 3. Beta kommt hoffentlich noch im Juni oder spätestens Juli. Ich bin gespannt, welche Neuerungen per Voreinstellung aktiviert sein werden. Die Bugzilla-Liste mit „b3ux“ markierten Bugs gibt Aufschluss über die wichtigsten noch anstehenden Arbeiten an der Oberfläche/Usability für die 3. Beta. Besonders auf das neue Suchwerkzeug, das mit Gloda arbeitet, und eine überarbeitete (abgespeckte) Symbolleiste freue ich mich – wenn es denn rechtzeitig (oder überhaupt) für Thunderbird 3 fertig wird.

Was erwartet die hoffnungsvollen Thunderbird-Nutzer sonst noch nach bisherigem Stand?

  • Für Endanwender ist das direkte Eingeben/Verwalten von Signaturtext je Konto sicher eine der wichtigsten Verbesserungen. Bislang musste man eine Text- oder HTML-Datei erstellen und diese mit Thunderbird verknüpfen. Das ist sehr aufwändig und umständlich und für Unwissende eigentlich unmöglich, da es nicht selbsterklärend ist. Nun kann jeder Otto Normalverbraucher seine Text- oder HTML-Signatur direkt in der Kontoverwaltung eingeben und fertig.
    Die neue direkte Signatur-Eingabe
  • Mit der Archivieren-Funktion kann man alte Mails in einen Ordner seiner Wahl ablegen lassen. So stören sie nicht mehr in aktiven Ordnern. Dabei kann man (im Konfigurations-Editor für Fortgeschrittene) wählen, ob man alles in einem einzigen Ordner haben will, ob Unterordner je Jahr oder auch Unterordner je Jahr und Monat erstellt werden sollen. Hoffentlich lässt sich dieses Schema in der nächsten Thunderbird-Version auf eigene Bedürfnisse anpassen.
    Die neue Archiv-Funktion für alte Mails
  • Die Schnelleinrichtung von Konten ist für mich eine der innovativsten Verbesserungen an Thunderbird 3: Einfach seinen Namen, seine vollständige E-Mail-Adresse und sein Passwort eingeben und das Programm sucht sich in einer bei Mozilla gespeicherten Liste die passenden POP-, IMAP- und SMTP-Daten. Bevorzugt werden glücklicherweise gesicherte Verbindungen mit SSL oder TLS. Werden keine passenden Daten gefunden, kann man sie selbst vervollständigen. – Ich bin fast geneigt zu überlegen, meine eigene Domain da einzutragen (falls das überhaupt ginge); dann muss ich mir die ganzen Einstellungen nicht mehr merken.
    Die neue schnelle Konten-Einrichtung
  • Mit dem Activity-Manager wird man endlich die Hintergrundvorgänge nachvollziehen können: Von welchem Konto wurden wie viele Mails abgerufen, wann wurden Mails wohin verschoben oder gelöscht usw. Leider habe ich noch keine Datei gefunden, in der diese Daten abgespeichert werden. Es wäre schade, wenn sie nicht abgespeichert werden, da der Activity-Manager beim Beenden von Thunderbird geleert wird.
    Der neue Activity-Manager
  • Da die Schaltflächen für „Antworten, Weiterleiten, Löschen“ usw. näher bei den Mails selbst sein sollen, hat man sich entschieden, die Schaltfläche von der Symbolleiste direkt in den Kopf der Mailansicht zu verschieben. Ich finde das sehr gut. Leider ist es noch nicht flexibel – man kann noch nicht wie in der Symbolleiste einzelne Symbole ausblenden oder hinzufügen. Das ist aber für die danach folgende Thunderbird-Version geplant.
    Die neuen Schaltflächen in der Kopfzeile von Mails
  • Gloda ist das Zauberwort, hinter dem sich die „Globale Datenbank“ verbirgt. Durch die Indexierung wird die Suche nach und in Mails um ein Vielfaches schneller als bisher.
  • In Verbindung mit den beiden Vorgängerpunkten (Symbole in die Mailansicht verschoben und Gloda) hoffe ich ganz stark auf die neu gestaltete Symbolleiste mit einem verbesserten Suchwerkzeug. Eine Vorschau davon konnte man im Februar mit der innovativen Erweiterung „exptoolbar“ erleben. Der Umgang ist sehr viel anders als alles bisherige in Mailprogrammen. Aber wenn auch nur 30% davon umgesetzt werden würden, wäre das schon ein Segen.
  • Ordner und Mails lassen sich in Tabs anzeigen. Leider ist die ganze Sache derzeit noch unausgegoren. Geöffnete Tabs lassen sich nach einem Programmneustart nicht wieder herstellen, Tabs lassen sich nicht verschieben, Mails lassen sich nicht automatisch in Tabs öffnen usw.
  • Adressen kann man mit dem Stern in der Mailansicht schnell in das Adressbuch eintragen wie in Firefox die Lesezeichen.
    Schnell ins Adressbuch eintragen
  • Die Kalender- und Aufgabenverwaltung Lightning wird nicht fix eingebaut, sondern ist weiterhin ausschließlich als Erweiterung nachträglich installierbar. Dieser Schritt wurde vor Monaten notwendig, da die meisten Lightning-Entwickler von Sun Microsystems vom Projekt abgezogen wurden und nun die nötigen Ressourcen zum Weiterentwickeln fehlen. Als Erweiterung ist Lightning unabhängig von Thunderbirds Veröffentlichungszyklus und kann selbst seinen „Rhythmus“ finden.
  • Neues 2009-09-17: Erst heute habe ich herausgefunden, dass nun auch endlich DSN, die Anforderung eines Übermittlungsstatus, mit Tb3 möglich sein wird und nicht nur die Anforderung eines MDN, einer Empfangsbestätigung. Derzeit ist diese Funktion nur über das Einstellungen-Menü im Verfassen-Fenster (also im Fenster, in dem man die Mail schreibt) verfügbar. In Bugzilla #93085 ist man sich noch nicht einig über die Integration in die Thunderbird-Einstellungen. (In Thunderbird 2 kann man DSN über Trustedbird als Erweiterung nachinstallieren.)

Leider werden tiefgreifendere Arbeiten am System wie die Umstellung des Mail-Speicherformats auf ein Datenbank-ähnliches System, Integration von Social-Network- und Messenger-Fähigkeiten und anderes auf eine künftige Version von Thunderbird nach 3.0 verschoben. Wichtig ist aber erstmal, dass alle Verbesserungen von Gecko 1.9.1 (welches auch Firefox 3.5 seine Schnelligkeit verleiht) endlich die Thunderbird-Nutzer erreicht. Wenn dann die darauf folgende Thunderbird-Version 3.1 oder 3.5 jene Mängel ausbügelt, die die neuen Funktionen in der Version 3.0 noch besitzen, wäre das schon ein großer Schritt vorwärts.

Ich würde mir nur noch wünschen, dass die Mozilla-Verantwortlichen nicht so stiefmütterlich auf Thunderbird (und Mailprogramme im Allgemeinen) herabsehen würden. Es besteht ein Bedarf an Alternativen zu MS Outlook – nicht jeder möchte seine Mails online verwalten in zig Webkonten.

Neues 2009-06-24:
Ich habe einige Bildschirmfotos eingefügt.

Neues 2009-09-16:
Ausführliche Beschreibung von Änderungen für Endanwender in englischer Sprache.

Ich muss es einmal loswerden: Diese halbjährlichen Veröffentlichungszyklen von einigen Software-Projekten mag ich ungemein. Ich bin jedesmal von den Verbesserungen und der nicht revolutionären, aber stetigen Weiterentwicklung begeistert, wenn ich OpenOffice.org 3.0 mit dem Vorgänger 2.4 vergleiche – oder OpenOffice.org 3.1 mit 3.0. Auch GNOME und mit ihm Ubuntu bringt mit jeder Version einen Mehrwert, auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer ins Auge sticht. Meinen alten Rechner mit Ubuntu 7.10 und GNOME 2.20 mag ich gar nicht mehr starten, wenn ich ihn mit dem Laptop mit Ubuntu 8.10 und GNOME 2.24 darauf vergleiche.

Unter Ubuntu 7.10 ist noch Firefox 2 der Standardbrowser. Wenn man sich die aktuellen deutschsprachigen Nightlies von Firefox 3.5 herunterlädt, dann ist der Unterschied zum 2er wie Tag und Nacht. Ich kann es kaum fassen, allein von der Seitenladegeschwindigkeit und der besseren Integration der Oberfläche in GNOME sind die Fortschritte erstaunlich! Ein halbjährlicher Veröffentlichungszyklus von Mozilla Firefox würde mir auch gefallen. (Naja, das hätte natürlich auch Nachteile.) Die nächste Version, die derzeit noch mit Firefox.next betitelt wird, soll ja bereits in einem dreiviertel Jahr erscheinen – wie auch Firefox 3.5 ein halbes/dreiviertel Jahr nach Firefox 3.0 erscheinen hätte sollen. Vielleicht schafft Mozilla nach Firefox 3.5 die Verkürzung auf zumindest unter ein Jahr.

Kurzum: Kurze Veröffentlichungszyklen sind toll für die Anwender und hoffentlich auch für Entwickler, die ihre Errungenschaften schnell an die Frau und den Mann bringen können.

Da es sich im deutschsprachigen Internetz anscheinend noch überhaupt nicht herumgesprochen hat – nur Brainfood berichtete vor 6 Tagen darüber – muss ich ein bisschen Werbung machen:

Mozilla hat Anfang Juni die Marketing-Aktion und Kampagne „Fastest Firefox“ ins Leben gerufen.

Helfen Sie uns, der Welt mitzuteilen, dass Firefox 3.5 der schnellste Firefox aller Zeiten ist. Beginnen Sie damit, ein Videos an uns zu schicken, das Ihre schnellste Fähigkeit zeigt.

Es ist ganz einfach, bei der Kampagne „Fastest Firefox“ mitzumachen. Nehmen Sie Ihr Talent (stricken, Schnitzel wenden, Zähne putzen oder was auch immer!) und zeigen Sie uns in einem Video, wie Sie es tun – SCHNELL!

Wenn jemand so ein schnelles Talent besitzt und es vorzeugen möchte, ist er dazu eingeladen, es zu filmen und an Mozilla zu schicken.

Seite: fastestfirefox.com

PS: Ich nutze Firefox 3.5pre schon produktiv und ich muss zugeben, Werbesprüche wie „Firefox 3.5 ist doppelt so schnell wie 3.0 und zehnmal schneller als 2.0.“ sind kein Witz. Gecko 1.9.1 hat Firefox wieder um einiges schneller und „schlanker“ gemacht als seinen Vorgänger.