Eigentlich ist der Text schon über ein halbes Jahr alt. Ich habe ihn zuerst zurückgehalten, umgeschrieben, wieder zurückgehalten und zwischendrin und seitdem immer wieder vergessen. Nun veröffentliche ich ihn und hoffe, er ist durch die geänderten Verhältnisse seit der ursprünglichen Niederschrift nicht schon überholt.
Immer mehr Nutzer surfen mit Firefox durch das World Wide Web. Viele deutschsprachige Webentwickler aber sind immer unzufriedener mit dem Browser von Mozilla und suchen nach Alternativen. Wieso sinkt sein Stern unter den Web-Spezialisten?
Als vor bald einem Jahr Firefox 3.0 erschien, kam es einem vor, als wäre es die am wenigsten beworbene und weiter empfohlene Firefox-Version seit 1.0 vor vier Jahren. Viele Webentwickler kritisierten den neuen Firefox: zu viele neue unsinnige Funktionen, zu wenig Fortschritt bei der Umsetzung von Webstandards.
Auch ich ersparte mir detaillierte Berichte über Firefox 3. Ich verwies lieber auf andere, meist englischsprachige Artikel über die Vorzüge von Firefox. Natürlich hat Firefox 3 Vorzüge vor älteren Versionen oder anderen Browsern. Selbstverständlich! Sonst würde der Browser weltweit nicht immer beliebter werden. Aber für Webentwickler und jene, die an Webdesign und Webstandards interessiert sind, bietet Version 3 zu wenige Verbesserungen in Relation zur langen Wartezeit zwischen Version 2 und 3 und im Vergleich zu den 15.000 Bugzilla-Einträgen, die abgearbeitet wurden. Webstandards betrafen leider nur einen verschwindend geringen Teil dieser Verbesserungen, siehe Firefox 3 for Developers: CSS-Enhancements.
Die Entwickler-Gemeinschaft konzentrierte sich mehr auf die Verbesserung des Grundgerüsts von Firefox (Gecko) und der Vereinfachung und Veredelung der Oberfläche (Lesezeichen-Bibliothek, neuer Addons-Manager, besseres Aussehen unter Linux und Mac OS X usw.). Auch an der Seitenaufbaugeschwindigkeit und am Speicherverbrauch wurde gearbeitet. Das ist für die Zukunftsfähigkeit des Browsers wichtig, aber Webstandards-Kleinigkeiten wie die Möglichkeit seit Version 3, Weiterleitungen und Neuladen von Webseiten zu unterbinden (Bug 83265), gehen da unter und sind auch zu wenig.
Firefox 3.5, das Anfang Sommer 2009 erscheinen soll, wird schon viel mehr von CSS 2/3 und HTML5 verstehen als seine Vorgänger. Die Entwickler waren inzwischen fleißig. Haben sie die Kurve gekriegt?
Die Verbesserungen in Firefox 3.5 sind toll, aber was muss geschehen, damit Firefox wieder von den Profis geschätzt und beworben wird, die ihn am Anfang so stark unterstützt haben? Liegt es daran, dass er ein Massenbrowser geworden ist und man sich so nicht mehr von den normalen Nutzern unterscheidet? Liegt es an fehlenden oder an zu vielen neuen Funktionen? Sind die Ansprüche an die Webstandards-Unterstützung nicht mehr zufrieden zu stellen, weil Firefox dabei früher vor anderen Browsern lag und er nun immer mehr an Boden verliert? Ist Firefox nicht mehr so notwendig in Zeiten, in denen sich sogar der Internet Explorer in die richtige Richtung zu entwickeln scheint und sich das IE-Team die Unterstützung von Webstandards auf die Fahne geschrieben hat?
Es soll nicht soweit kommen, dass Firefox nur mehr ein Browser unter vielen für die Webentwickler-Szene darstellt. Dazu ist das Web an sich ein zu wichtiges, offenes Wissensmedium, das auch offen und frei bleiben soll. Diese Offenheit wird nur gewährleistet, wenn freie Programme die Richtung angeben oder sie zumindest die „bösen Closed-Source-Buben“ mit Marktmacht auf dem richtigen Weg halten können.
Also: Was ist notwendig, damit der Open-Source-Browser wieder attraktiver wird für Webentwickler?
Der Internet Explorer 8 ist kürzlich erschienen. Lobenswerterweise hat das IE-Entwicklerteam viel Energie in die Einhaltung von Webstandards investiert. Namentlich CSS 2.1 hat davon profitiert und Microsoft rühmt sich, die beste CSS 2.1-Unterstützung zu bieten, die es am Browser-Markt derzeit gibt.
Ob das so ist und ob das noch am Ende des Jahres so ist, sei mal dahingestellt. Möglicherweise kann uns bald www.webdevout.net über den derzeitigen Stand Auskunft geben. Überrascht hat mich aber die gerade entdeckte Information, dass der IE8 226 Fehler in der Webstandards-Darstellung von implementierten Funktionen hat: Browser bugs section von Gérard Talbot. Gecko und Safari 3 haben laut der Liste je 1 Fehler, Opera hat eine von Version zu Version abnehmende Zahl an Fehlern, der IE hingegen eine zunehmende.
Es gibt also bei allem Lob noch einiges nachzubessern.
Heute wurde GNOME 2.26 freigegeben, das keine revolutionären, jedoch viele Detailverbesserungen beinhaltet. Ich vermute, dass ich nicht widerstehen kann, am Laptop doch von Ubuntu 8.10 auf Ubuntu 9.04 umzusteigen, obwohl ich bisher nur alle .10-Veröffentlichungen nutzen wollte.
Die absolut beste Beschreibung der neuen Funktionen inklusive Bildern liefert derStandard.at ab. Da stehen auch Sachen, die andernorts nicht erwähnt werden. Großes Lob an die Redaktion.
Mit seinen bebilderten Artikeln hat derStandard.at die Nase wie Golem.de bei seinen Video-Interviews, die ab und zu in Artikel eingebaut werden.
Die offizielle Liste der wichtigsten Neuerungen gibt es wie immer bei gnome.org.
PS: Internet Explorer 8 ist anscheinend seit heute von Microsoft freigegeben. Damit ich das auch erwähnt habe.
Ich habe heute kurz die ODF-Mailingliste durchstöbert und ein paar interessante Informationen entdeckt.
Derzeit laufen anscheinend die Abschlussarbeiten zu ODF 1.2 im Technischen Komitee für ODF bei der OASIS. In den nächsten Monaten wird der Entwurf der Öffentlichkeit zur Begutachtung präsentiert (die laufenden Arbeiten können jedoch auch schon bei der OASIS eingesehen werden). Danach wird bei der OASIS über ODF 1.2 abgestimmt. Und erst danach wird ODF 1.2 an die ISO weitergeleitet, wo ODF 1.0 bereits als IS 26300 als Norm zertifiziert ist.
Währenddessen wird bis Ende März um Vorschläge gebeten, was in ODF nach Version 1.2 integriert und verbessert werden soll. Die nächste ODF-Version wird „ODF-Next“ genannt. Robert Weir hat dazu in der Mailingliste zu ODF Anfang Februar 2009 einen Textentwurf geschrieben. (Ich habe nicht gesucht, ob diese Ankündigung in der Mailingliste oder sonst wo bereits offiziell verkündet worden ist. Da das Zeitfenster bis 31. März 2009 jedoch sehr kurz ist, gehe ich davon aus, dass das schon geschehen ist.) Die Vorschläge werden gesammelt und am 1. Mai 2009 dem Technischen Komitee vorgestellt.
Weiters hat Robert Weir in der Mailingliste angefragt, ob der Wille und die Zeit dazu besteht, ODF 1.1 bei der ISO einzureichen und die Neuerungen von ODF 1.1 als Ergänzung zu ISO/IEC 26300:2006 zu veröffentlichen.
Auf die Antwort eines Brasilianers, der lieber auf ODF 1.2 warten würde, da der Übersetzungsaufwand so hoch ist und ODF 1.2 ja fast fertig sei, antwortete Dennis Hamilton:
With regard to timing, you said
"I think that this should be a good idea a few years ago, but with ODF 1.2 almost ready, this decision would impose us an unnecessary effort."
I don’t think ODF 1.2 is almost ready as an ISO Standard, and I haven’t done the math on the PAS submission time sequence, but it seems to me that we might be as much as two years away from appearance of an IS for ODF 1.2. — Quelle
Also laut seiner Schätzung wird es noch zwei Jahre dauern, bis ODF 1.2 eine ISO-Norm wird.